Logo des Forschungsinformationssystems Agrar und Ernährung

Forschungsinformationssystem Agrar und Ernährung

Informationsportal des Bundes und der Länder

Identifizierung von Schafen und Ziegen zur selektiven Entwurmung mit der FAMACHA© Farbkarte

Projekt

Ernährung und Verbraucherschutz

Dieses Projekt leistet einen Beitrag zum Forschungsziel 'Ernährung und Verbraucherschutz'. Welche Förderer sind dazu aktiv? Welche Teilziele gibt es dazu? Schauen Sie nach:
Ernährung und Verbraucherschutz


Förderkennzeichen: TI-OL-08-PID1651
Laufzeit: 01.01.2002 - 31.01.2005
Forschungszweck: Angewandte Forschung

Ein Magenparasit kann bei Schaf und Ziege eine lebensbedrohliche Blutarmut hervorrufen. Erkennbar wird der Befall an der Lidbindehaut. Wird ihre Blässe mit einer in Südafrika entwickelten Farbskala verglichen, lassen sich Tiere identifizieren, die entwurmt werden müssen. Ist diese Methode auch in deutschen Betrieben sinnvoll anwendbar? Die Auswirkungen latenter, äußerlich nicht erkennbarer Verwurmung werden häufig von Landwirten und deren Beratern unterschätzt. Weideparasitosen verursachen auch in Deutschland große Verluste. Mehr als jeder zweite Bioschafhalter gab an, dass Endoparasitosen zu den am häufigsten auftretenden Problemen gehören, Wurmbefall infolgedessen die verbreitetste Krankheit in Bio-Schafherden ist. Besonders bedrohlich ist der blutsaugende, gedrehte oder rote Labmagenwurm Haemonchus contortus. Vor allem Lämmer aber auch ausgewachsene Tiere können ab Mitte Juli eine solch starke Blutarmut entwickeln, dass sie daran verenden. Dagegen hilft nur eine Entwurmung. Da seit mehreren Jahrzehnten die gleichen Wirkstoffgruppen in Entwurmungsmitteln verwendet werden, haben sich zunehmend wurmmittel-resistente Stämme der Magen-Darm-Würmer bei kleinen Wiederkäuern verbreitet. Die Mittel wirken nicht mehr so gut, die Frequenz der Behandlungen muss erhöht werden. In manchen außereuropäischen Ländern sind Betriebe bereits existentiell bedroht, weil Würmer gegen alle verfügbaren Mittel resistent sind. Die Ausbreitung solcher Wurm-Stämme kann über eine Teilherdenbehandlung anstatt der bisher üblichen Gesamtherdenbehandlung verzögert werden. Dadurch reduziert sich der Selektionsdruck und wurmmittelempfindliche Würmer haben die gleichen Überlebenschancen wie die resistenten. Die gezielte Behandlung ist auch mit Einsparung von Entwurmungsmitteln verbunden; bis zu 90% sollen möglich sein. Da meistens nur eine Minderheit in der Herde besonders stark befallen ist, könnte man besonders diese Tiere gezielt und selektiv entwurmen. Das Problem besteht darin, diese Tiere sicher zu identifizieren. Eine Methode ist, den Kot zu untersuchen und zu bestimmen, wie viele Eier vom einzelnen Tier ausgeschieden werden. Leider ist diese Methode trotz des erheblichen Aufwands unsicher, da meist nicht von der Eiausscheidung auf die Anzahl der Würmer im einzelnen Wirtstier (Wurmbürde) zu schließen ist. In Südafrika, wo H.contortus der Hauptschädling bei der Haltung von Kleinen Wiederkäuern ist, hat man deshalb das FAMACHA©-Test-System entwickelt und erprobt. Ein routinemäßiger Check der Bindehäute am Auge mit Hilfe einer Farbkarte in 5 Abstufungen soll die besonders blassen Tiere zur Behandlung herausfiltern. Nach Einweisung kann der Landwirt diese Untersuchung selbst durchführen. Der Test hat zum Ziel, nur die wirklich behandlungsbedürftigen Tiere zu identifizieren. Mehrere praktische Studien belegen den Erfolg der Methode, wenn H.contortus die Problemwurmart ist. In Deutschland wurde bisher nur ein geringer Zusammenhang zwischen FAMACHA©-Wert und Hämatokrit bzw. Eiausscheidung gefunden. Um die Praktikabilität des FAMACHA©-Testes zu prüfen, haben wir im Institut für ökologischen Landbau während der Weidesaison in den Jahren 2002, 2003 und 2005 drei Feldstudien mit Schafen und Ziegen durchgeführt. Im Jahr 2002 wurden je 40 natürlich infizierte erst- und zweitsömmrige Schafe und Ziegen 14-tägig während der gesamten Weidesaison nach dem FAMACHA©-System untersucht. Gleichzeitig wurden die Eizahl pro Gramm Frischkot und alle 8 Wochen der Hämatokrit (Anteil der Masse der roten Blutkörperchen am Gesamtblut) als Maß für die Blutarmut bestimmt. Die Wurmbürde im Magen-Darm-Trakt bestimmten wir durch die Sektion von je vier Lämmern bzw. Kitzen (Tracertiere) beispielhaft. Die Lidbindehautfärbung erfassten wir an der Schleimhaut des unteren Lides. Wir fanden im direkten Vergleich mit der FAMACHA©-Karte die Werte: 1 = rot (d.h. nicht blutarm); 2 = rosa-rot (d.h. nicht blutarm); 3 = rosa (d.h. mittelgradig/verdächtig); 4 = blass-rosa (d.h. blutarm); 5 = sehr blass (d.h. schwer blutarm). Da sich die Farbabstufungen als zu grob erwiesen, ließen wir Zwischenwerte, zum Beispiel „3,5“ zu. Alle Untersucher wurden in die Methode eingeführt. Sie hatten die Vorgabe, kurz die Lidbindehäute zu untersuchen, die Karte zum Vergleich hinzuzuziehen und dann den Wert anzusagen. Ein Helfer notierte die Werte. Landwirte, Tierärzte und eine Studentin der Agrarwissenschaften erhoben die FAMACHA©-Werte während des Wiegens. Damit wurden die Praxisverhältnisse nachgebildet. Während des Sommers 2003 wurden an 46 Altziegen im Melkstand mehrmals FAMACHA©-Werte und Einzeltierkotproben untersucht. In der Weideperiode 2005 sollten vor einer geplanten Entwurmung durch eine blitzlichtartige Untersuchung die besonders behandlungsbedürftigen Tiere herausgefunden werden. Dazu wurden der Hämatokrit, die FAMACHA©-Werte und die Wurmeizahl im Kot von 55 Altziegen einmalig bestimmt. Die Eier pro Gramm Frischkot (EPG) wurden in Einzeltierkotproben mit der McMaster-Methode gezählt, wobei ein gezähltes Ei 33 EPG entsprach. Der Hämatokrit wurde aus heparinisiertem, venösem Blut mit der Mikromethode bestimmt. Aus gepoolten Kotproben züchteten wir Larven an und differenzierten sie, um daraus die relative Befallsstärke zu errechnen. Bei den Tracertieren bestimmten wir nach Sektion und Spülung des Magen-Darm-Traktes die Wurmbürde aus Aliquots (10 %ig).

Im August 2002 bestand die mittlere Wurmbürde in Larvenkulturen zu 24,6 % beim Schaf und zu 12,4 % bei der Ziege aus dem blutsaugenden H. contortus. Die Tracer hatten Anfang September einen H. contortus-Anteil von 22,3% (Schaf) und 4,1% (Ziege) an ihrer Würmbürde. Der FAMACHA©-Test konnte schnell und unproblematisch für Mensch und Tier durchgeführt werden. Häufiges Korrigieren während des Ablesens ließ jedoch darauf schließen, dass die umgekehrt zur Erwartung laufende Skala (der Wert „1“ ist dunkelrot) ungewohnt ist. Für die Ziegen sind außerdem im mittleren Bereich feinere Farbabstufungen notwendig. Der Anteil der fälschlich als zu blass identifizierten Ziegen war mit 65% sehr hoch, bei den Schafen betrug er 42%. Diese Tendenz stimmt mit den Erfahrungen aus anderen Untersuchungen überein. Allerdings konnten alle Tiere, die tatsächlich zu blass waren, herausgefunden werden. Diese Sensitivität ist entscheidend für einen Suchtest. Der Zusammenhang zwischen dem FAMACHA©-Wert und dem gemessenen Hämatokrit war insgesamt jedoch nur gering- bis mittelgradig. Gesicherte Zusammenhänge ließen sich zwischen FAMACHA©-Wert und Eiausscheidung nicht errechnen. Auch die einmalige, blitzlichtartige Untersuchung erbrachte keine belastbaren Ergebnisse. Das, im Vergleich mit den außereuropäischen Feldstudien, enttäuschende Ergebnis ist vermutlich zu erklären durch den relativ geringen Anteil von H.contortus an der gesamten Wurmbürde und den insgesamt guten Allgemeinzustand der Tiere. Nur 9 von 149 Wertungen bei den Ziegen und 10 von 154 Wertungen bei Schafen im Versuch von 2002 blieben unter dem Grenzwert für eine Blutarmut (0,28 l/l Hämatokrit). Eine enge Beziehung zwischen FAMACHA©-Wert und Hämatokrit konnte bei unseren Ziegen und Schafen nicht bewiesen werden. Der Befall mit dem blutsaugenden Magen-Darm-Wurm H.contortus war allerdings nicht so hoch, dass es zu allgemeiner, klinischer Blutarmut gekommen ist. Ebenso war ein Rückschluss vom FAMACHA©-Wert auf die Eiausscheidung nicht möglich. Der FAMACHA©-Test könnte dennoch zur Identifizierung von behandlungsbedürftigen Tieren durchaus geeignet sein. In Herden, die mit dem roten Magenwurm große Probleme haben, würde dies zu einer rechtzeitigen Diagnose führen. Die Untersuchungen müssten dann aber kontinuierlich und in Abständen von etwa 2 Wochen erfolgen, wobei der erhebliche Arbeitsaufwand sicher nur in Einzelfällen zu leisten sein wird. Außerdem gilt dieser Test ausschließlich für H.contortus; der Befall mit den anderen Magen-Darm-Würmern kann damit nicht erfasst werden.

mehr anzeigen weniger anzeigen

Fachgebiete

Erweiterte Suche