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Waldentwicklungsszenarien für das Hessische Ried
Projekt
Förderkennzeichen: keine Angabe
Laufzeit: 01.03.2008
- 31.12.2011
Forschungszweck: Angewandte Forschung
Ziel des Verbundprojektes war es, mit einem modellorientierten Ansatz die Auswirkungen der sich ändernden Umweltbedingungen auf die Leistungen und Wirkungen der Wälder sowie auf die Handlungsspielräume der Forstbetriebe im Hessischen Ried für einen 30-jährigen Prognosezeitraum abzubilden. Hierdurch sollte eine raumbezogene Wissens- und Entscheidungsbasis für die Politik, Fachverwaltungen und Waldbesitzer erarbeitet werden, um die Waldfunktionen bzw. die gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald in der Fläche neu zu gewichten, Vermeidungs- bzw. Anpassungsstrategien zu entwickeln und gezielte Maßnahmen zur Sanierung der bereits stark geschädigten Waldgebiete einzuleiten.
Das Untersuchungsgebiet wird im Norden durch die Stadt Frankfurt, im Osten durch die Bundesstraße B3 und im Süden und Westen durch die Landesgrenze begrenzt. Die Waldfläche beträgt ca. 30.000 Hektar, die sich auf etwa 51 % Landes-, 44 % Kommunal- und ca. 5 % Privat- und Bundeswald verteilen. Im öffentlichen Wald überwiegen die Baumarten Eiche (26 %), Rotbuche (31 %) und Kiefer (39 %). Die Mehrzahl der Flächen ist mit Wasserschutz-, Naturschutz-, Klimaschutz- und Erholungsfunktionen belegt. Das Hessische Ried ist durch ungünstige Waldstandorte und ein bereits heute trocken-warmes Klima gekennzeichnet. Im Zusammenwirken von Grundwasserabsenkungen ab Mitte der sechziger Jahre, biotischen und abiotischen Schadereignissen sowie Einträgen aus der Luft sind die Waldökosysteme des Projektgebiets stark destabilisiert und die Forstbetriebe in ihrem waldbaulichen Handeln stark eingeschränkt.
Der Untersuchungsansatz ist stark modellorientiert. Im Zentrum steht ein flächendifferenziertes, GIS-basiertes, multiskaliges Gebietsmodell. Es stützt sich auf eine GIS-Datenbasis, in der die aufbereiteten Informationen zur Landnutzungsform, zum Standort, zum Lokalklima, zum Wassermanagement, zu den Beständen, zum Schutzgebietsstatus (wasser-, forst- und naturschutzrechtliche Schutzgebiete), zum Arteninventar und zum Waldzustand verwaltet werden. Die Waldbehandlung wird unter Beachtung naturschutzrechtlicher Auflagen regelbasiert gesteuert. Die erfassten Ist-Zustände im Hessischen Ried liefern die Grundlage für die betrachteten Waldentwicklungsszenarien bis zum Jahr 2039, die von folgenden Annahmen ausgehen:
Grundwasser:
- Status quo (GW0): Die Grundwasserstände werden auf dem Niveau des Grundwasserbewirtschaftungsplans Hessisches Ried (RP DARMSTADT
1999) festgeschrieben.
- Weitere Absenkung der Grundwasserstände (GW-): Die Grundwasserstände sinken auf allen Flächen unter ein von den Baumwurzeln noch erreichbares Niveau.
- Anhebung der Grundwasserstände (GW+): Die Grundwasserstände werden wieder auf das Niveau vor Beginn der industriellen Grundwasserentnahmen angehoben.
Klima:
- Referenz (Ref): unveränderte Klimaentwicklung bezogen auf die Klimanormalperiode 1961 bis 1990
- Feuchtes Klimaszenario (A1Bf): 20 feuchteste Läufe des mit dem statistischen Modell WETTREG regionalisierten Klimaszenarios A1B
- Trockenes Klimaszenario (A1Bt): 20 trockenste Läufe des mit dem statistischen Modell WETTREG regionalisierten Klimaszenarios A1B
Der modulare Projektansatz erlaubte durch die Kopplung von GIS, Wasserhaushaltsmodell, Waldwachstumssimulator und Expertenwissen sowohl die regelbasierte Umsetzung der verschiedenen waldbaulichen Entwicklungsszenarien, deren Modifikation, flexible Entwicklung, Anwendung und Bewertung, als auch eine Kombination der Varianten in der Fläche. Zentrales Prognosewerkzeug war das waldbauliche Entscheidungsunterstützungssystem WaldPlaner der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt. Mit ihm war es möglich, folgende, zum Teil regelbasierte Teilmodelle zu einem Gesamtsimulationssystem zu kombinieren:
- Grundwasserstände
- Atmosphärische Stickstoffeinträge
- Wasserhaushalt
- Standort-Leistung
- Allgemeines Mortalitätsmodell
- Maikäfermortalitätsmodell
- Waldwachstumsmodell (TreeGrOSS)
- Naturschutzregeln / Naturschutzfachliche Vorgaben
- Waldbauregeln / Waldbaustrategien
Auf diesem Wege gelang es, nicht nur die Waldentwicklung seit Mitte der sechziger Jahre bis zum Stichjahr 2007 nachzuzeichnen und eine Zustandsanalyse zu ermöglichen, sondern auch die Auswirkungen unterschiedlicher Grundwasserverhältnisse und klimatischer Bedingungen bis zum Jahr 2039 erfolgreich zu simulieren und zu quantifizieren.
Die Ergebnisse bestätigen, dass die Wälder im Ballungsraum Rhein-Main zu den forstlichen Brennpunkten in Mitteleuropa gehören. Flächenverbrauch, Zerschneidung, Stoffeinträge aus der Luft, steigender Wasserbedarf und Erholungsdruck führen zu einer schleichenden Destabilisierung der Wälder. Die abiotischen Belastungen, und hier insbesondere der Trockenstress sowie die gravierenden Grundwasserabsenkungen seit Anfang der 70er-Jahre, haben mittlerweile auf großen Flächen die Waldökosysteme soweit geschwächt, dass massive biotische Schäden vor allem durch Maikäfer und Kiefernmisteln hinzukommen, die zu Waldauflösungserscheinungen führen. Ein geordneter Forstbetrieb ist vielerorts nicht mehr möglich. Die betriebswirtschaftlichen Verluste der letzten 40 Jahre belaufen sich bei vorsichtigen Annahmen auf ca. 70 Millionen Euro.
Die ökologischen Rahmenbedingungen werden sich in Zukunft durch den Klimawandel weiter verschlechtern. Die reale Verdunstung wird zunehmen, die Grundwasserspende sinken und der Infiltrationsbedarf zum Aufrechterhalten der bisherigen Grundwasserstände steigen. Die simulierten Grundwasserszenarien (weitere Absenkung [GW-], Anhebung [GW+]) führen zu einer Halbierung bzw. Verdoppelung der Flächenanteile mit sicherem Grundwasseranschluss. Heute beträgt ihr Anteil nach dem Grundwasserbewirtschaftungsplan Hessisches Ried (Referenz [GW0]) noch 18 %. Die Mehrzahl der grundwasserfernen Standorte (> 60 % der Fläche) wird auf die Klimaänderungen sehr sensitiv reagieren. Die Wasserversorgung wird sich verschlechtern und der Trockenstress wird sich für die Waldbestände erhöhen. Hierdurch werden die waldbaulichen Entwicklungsmöglichkeiten weiter eingeschränkt.
Das Hauptaugenmerk der waldbaulichen Maßnahmen muss auf die Stabilisierung der vorhandenen Bestände, die Senkung bzw. Verteilung der Risiken und den Umbau der heute bzw. künftig nicht mehr standortsgemäßen Bestockungen gerichtet werden. Zur Stabilisierung der Bestände und zur Verteilung der Risiken sind gestaffelte Durchforstungen, die Förderung von Mischbaumarten, erhöhte Z-Baumzahlen, variable Zielstärken in Abhängigkeit von Vitalität, Qualität und Entwertungsgefahr sowie ein konsequenter Waldschutz besonders wichtige Maßnahmen. Für den standortsgemäßen Waldumbau stehen der forstlichen Praxis mit den im Projekt aufbereiteten Standortsinformationen und neu entwickelten Matrizen für Waldentwicklungstypen (WET) jetzt bestandesbezogen Informationen zur Verfügung, die eine Beurteilung der heutigen bzw. künftigen Standortseignung der vorhandenen Bestockungen sowie die Auswahl standortsgemäßer Baumarten bei Verjüngungsmaßnahmen erlauben. Ökonomisch verspricht auch unter den Bedingungen des trockenen Klimaszenarios der Anbau der Kiefer, der Edellaubbaumarten und der Douglasie relativ stabile Ertragswerte.
Der Erfolg von Verjüngungsmaßnahmen hängt in weiten Bereichen des Hessischen Rieds entscheidend von der lokalen Maikäfersituation ab. In den Gradationsgebieten ist eine wirksame Reduzierung der Engerlingsdichten ökologisch wie ökonomisch dringend geboten.
Angesichts der gravierenden ökologischen Veränderungen sind statische Ansätze für die Waldsanierung im Hessischen Ried nicht zielführend. Auch in Zukunft wird es dort Wald geben, aber er wird vielerorts anders zusammengesetzt und aufgebaut sein und nicht mehr die gleichen Funktionen in derselben Güte erfüllen. Insbesondere die Perspektiven für die Eichen- und Buchen-Waldgesellschaften sind ungünstig und erfordern eine naturschutzfachliche Auseinandersetzung mit diesem Sachverhalt. Im Rahmen des Vorhabens wurden die Vorrangflächen für den Erhalt von Eichenwäldern im Sinne von Hotspots identifiziert.
Das Projekt stellt der Politik, den Fachverwaltungen und den Waldbesitzern eine raumbezogene Wissens- und Entscheidungsbasis zur Verfügung, um die Waldfunktionen bzw. die gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald in der Fläche neu zu gewichten, Vermeidungs- bzw. Anpassungsstrategien zu entwickeln und gezielte Maßnahmen zur Sanierung der bereits stark geschädigten Waldgebiete einzuleiten. Zur Dokumentation der Vitalitätsentwicklung und zur Bereitstellung zuverlässiger Planungsdaten erscheint es notwendig, eine eigene Betriebsklasse 'Hessisches Ried' für die von HESSEN-FORST bewirtschafteten bzw. betreuten Wälder zu schaffen und deren Naturalausstattung durch eine permanente, systematische Stichprobe zu erfassen.
Fazit: Im Hessischen Ried sind die Wälder und mit ihnen eine nachhaltige, muultifunktionale Forstwirtschaft stark gefährdet. Es ist höchste Zeit, die vielfältigen Ansprüche an die Forstbetriebe besser mit den Eigentümerinteressen abzustimmen. Hierzu ist die Vielzahl der Sachziele neu zu ordnen, in einem Zielsystem hierarchisch zu strukturieren und entsprechend ihrer raumbezogenen Bedeutung neu zu gewichten. Zur Sicherung der Waldfunktionen müssen bisher aufgeschobene Entscheidungen zeitnah getroffen werden. Die möglichen Sanierungsmaßnahmen sind an ihrer Wirksamkeit und ihren Gesamtkosten zu messen.
Schlagworte: Hessisches Ried, Grundwasser, Klimawandel, Waldentwicklungsszenarien, Wasserhaushalt, Stoffhaushalt, Waldbau, Waldschutz, Naturschutz, ökonomische Bewertung
Abschnittsübersicht
Fachgebiete
- Forstwirtschaft